Hutreste….oder Restehüte

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Fast immer, wenn man einen Hut macht, bleiben irgendwelche Materialreste übrig.

Die werden aber nicht weggeworfen. Hutrohlinge – besonders von guter Qualität- sind teuer und es gibt nicht mehr allzu viele Anbieter.  Also hebt man sie auf und verwendet sie nach und nach bei neuen Projekten. Einiges endet als Teil einer Dekoration, aber größere Stücke können auch zu kompletten Hüten zusammengesetzt werden, wie in diesem Fall.

Der lachsfarbene Hut ist aus zwei unterschiedlichen Resten Sinamay in lachs und braun und einem Rest gleichfarbigen Strohmaterials für die Krempe zusammengesetzt. Dazu Bänderreste, die zu Hutblumen und Dekoration wurden.

Der braune Hut besteht aus zwei Paper-Stroh-Resten, die separat gearbeitet und dann zusammengesetzt wurden. Das Muster für die große Kokarde stammt aus dem Buch „How to make 100 Ribbon Embellishments“ von Elaine Schmidt.

Im Gegensatz zu vielen anderen Büchern sind hier die Anleitungen auch für Anfänger verständlich. Leider gibt es das Buch nur auf Englisch.

Also traut euch ran an die Reste! Aus den allermeisten kann man noch etwas Kreatives machen!

Die Geschichte vom „Wut-Hut“

Seit Jahrhunderten werden in Europa Hutformen aus den unterschiedlichsten Materialien hergestellt. Meist wurde Holz verwendet, es gab aber auch solche aus Pappmaché, Gips, Draht, gesteiftem Stoff und unterschiedlichen Arten von Masse, manche davon schwer wie Blei.

Ab dem 19. Jahrhundert begann die industrielle Herstellung. Daneben existierten aber immer auch Formen, die von Holzschnitzern und Frauen selbst hergestellt wurden und dementsprechend im Aussehen stark von den genormten Hutformen abweichen.

Industriell hergestellte hatten Aufsatzlöcher, um sie auf einen Ständer zu stellen, ungenormte aber oft nicht. Es war auch durchaus üblich (und ist es bis heute!), zusammengeleimte Holzstücke zu einem Hutblock zu verarbeiten. Dabei wurde zwar meist Hartholz verwendet, in Heimarbeit zusammengebaute oder von Holzschnitzern gemachte Formen konnten aber auch aus ganz unterschiedlichen Hölzern sein.

Große und schwere Hutformen, die einen Ständer zum Kippen  gebracht hätten oder offene Krempenformen, bekamen entweder gebogene Unterstützen aus Holz, sozusagen „Beine“oder waren einfach an der Unterseite plan.

Und es wurde auch keineswegs immer genadelt oder mit kleinen Nägeln gearbeitet.  Bis ins frühe zwanzigste Jahrhundert hinein fixierte man oft die Hutkrone am Übergang zur Krempe mit kurzen Lederriemen, Gürteln sehr ähnlich oder dicken Schnüren. Und Filz- bzw. Strohrohlinge wurden an der Unterseite großer Hutformen ohne Stützen einfach umgeschlagen. Das Gewicht der Form hielt den Rohling von selbst fest. Und es gab auch schon die ersten „Schnürfurchen“, die heute fast alle modernen Hutformen haben. Kleine, sand- oder reisgefüllte Kissen hielten den Rohling unten, wenn es galt Vertiefungen aufzufüllen.

Alles Techniken, die wir heute auch noch nutzen.

Gut, aber was soll jetzt dieser Vortrag? Macht das einen Sinn?

In gewisser Weise ja, denn jetzt kommt die Geschichte vom „Wut-Hut“:

Vor einigen Jahren fand ich durch Zufall eine antike Hutform aus der Zeit zwischen 1910-1918 mit der damals üblichen übergroßen Hutkrone. Ich träumte  davon, fürs Theater oder Rollenspieler Hüte zu machen, es kam aber nie dazu. Also habe ich die Hutform schweren Herzens vor ein paar Wochen zu einem akzeptablen Preis verkauft.

Geschichte erledigt und Friede, Freude, Eierkuchen…..?

Leider nein, denn ein paar Tage später bekam ich eine relativ frostige Mail von der Käuferin, in der sie ihr Geld zurückverlangte, da ich ihr keine echte Hutform, sondern einen nutzlosen „Dekorationsgegenstand“ verkauft hätte.

Ihre Begründung war, dass der Hutblock unten keine Löcher hatte und man ihn demzufolge auch nicht auf einen Ständer zur Bearbeitung stellen könnte. Außerdem sei das Ding aus verschiedenen Stücken Holz zusammengesetzt und  diese „Bretter“ auch gar nicht zum Nadeln geeignet.

Stimmt alles, nur war die große und gut drei Kilo schwere Form nie für einen Ständer gedacht und genau so wenig sollte sie je genadelt werden! Und die Art von „Brettern“, aus der sie besteht ist für diese Epoche ebenfalls nicht ungewöhnlich. Und warum um Himmels willen, sollte irgend jemand aus Holz einen schweren Klotz in Form eines Titanic-Era-Hutes basteln, um ihn dann als Deko in seine gute Stube zu stellen? Das macht doch keinen Sinn!

Ich muss gestehen, dass mich so etwas in Rage bringt.  Eine gute Modistin sollte genug Wissen haben,  um auch mit ungewöhnlichen Formen umgehen zu können und nicht nur mit modernen und bequemen Industrieformen! Es ist durchaus legitim, Formen oder Techniken zu verwerfen, weil sie einem persönlich nicht liegen oder man bessere Wege gefunden hat. Aber es ist trotzdem wichtig, dass man Dinge vorher ausprobiert und Erfahrungen sammelt!

Ich zahlte also das Geld zurück, die Form kam wieder nach Hause und ich denke, ich werde sie jetzt auch behalten!

Allerdings gibt es Dinge, die kann frau einfach nicht auf sich sitzen lassen.  Und dazu gehört der Vorwurf, ich hätte ihr statt einer richtigen Form nur nutzlosen Dekomüll  angedreht, mit dem man keinen vernünftigen Hut machen kann.

Also setzte ich mich hin und MACHTE mit der Form einen Hut. (Das hätte ich schon vor Jahren tun sollen!)

Hier ist er also, der Hut, der laut dieser Dame gar nicht existieren kann….Nicht schlecht dafür, dass er auf einem „Dekoartikel“ gemacht wurde, oder?WP_20160127_15_28_46_Pro__highres WP_20160127_15_32_44_Pro WP_20160201_14_24_42_Pro WP_20160201_14_25_10_Pro WP_20160202_22_30_19_Pro__highres WP_20160203_14_34_55_Pro__highres WP_20160203_14_35_11_Pro WP_20160203_14_35_34_Pro

Eidechsen und Libelle

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Ja,ja…Schon wieder eine Cloche….!

Aber ich liebe sie nun mal! Und diese bekam eine ganz besondere Deko: Vorne eine große Jugendstil- Libelle und auf dem seitlichen Hutkopf acht wimmelnde kleine Kupfer-Eidechsen aus dem gleichen Zeitalter. Auch wenn die Cloche Art Déco ist, irgendwie passen die gestanzten Metalltiere trotzdem dazu. Es gibt allerdings Menschen, die macht dieser Hut etwas kribbelig….

 

Manchmal sollten die Dinge (fast) so bleiben wie sie sind!

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Als ich diesen wundervollen Jugendstil-Stoff fand, dachte ich daran, einen Rock daraus zu machen.  Aber ich hatte irgendwie nie die richtige Idee dafür. Also schlief das Teil für lange Zeit vergessen in meinem Stoffschrank.

Eines Tages suchte ich nach etwas anderem, fand dieses Stück stattdessen und erkannte, dass es gar nicht nötig war, es groß zu ändern. Es konnte beinahe so bleiben, wie es war….Ich musste es nur färben, denn die Originalfarbe war ein so grelles Weiß, dass man  Schneeblind davon werden konnte. Außerdem steht mir Weiß überhaupt nicht. Also färbte ich es Herbstrot und benutze es seit her als Schal oder Stola.

Ich gebe zu, dass ich nie herausgefunden habe, wofür es früher benutzt wurde… Vielleicht  war es ein Vorhang für eine offene Kommode?

Was soll´s- Jetzt ist es ein Schal und ich liebe das schöne und komplizierte Muster!WP_20160112_12_29_31_Pro WP_20160112_12_29_01_Pro

Ein simpler Überrock

Wenn ihr Stoffreste habt, groß genug für Patchwork und irgendwie zu einander passend, dann versucht doch mal einen einfachen Überrock wie den hier. WP_20151008_11_54_23_Pro WP_20151008_11_54_35_Pro WP_20151008_11_54_54_Pro

 

 

 

 

 

 

Ich hab dafür diverse Stücke von antiken Vorhängen, alte Spitze und Teile von Überschlaglaken verwendet. Ein Gummiband in die Taille, innen ein Knopf und außen eine alte Borte als Verschluss- Fertig. (Ok, ich musste natürlich alles vorher noch färben….) Den Rock zu nähen geht recht schnell, aber er sieht gut aus und ihr könnt ihn über einem anderen Rock, Hosen, Leggins oder im Sommer über dem Badeanzug tragen.

Ihr könnt eine ganze Reihe von  verschiedenen Stoffen dafür verwenden, das Material sollte aber nicht zu dehnbar sein, dann funktioniert es besser. Folgt einfach eurem eigenen Geschmack und euren Möglichkeiten.

Ein echt „schäbiger“ Mantel!

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Nachdem ich meine beiden roten Weihnachtsmantel-Versionen fertig hatte, hab ich mir eine dritte Version in Braun versprochen. Dabei dachte ich an  einen alten Samtvorhang, der schon seit Jahren bei mir herumlag und von dem ich nie so recht wusste, was ich daraus nähen soll.

Der Vorhang schien für dieses Projekt perfekt zu sein, aber die Dinge entwickelten sich natürlich mal wieder ganz anders…

Zuerst musste ich erkennen, dass der Vorhang in schlechterem Zustand war, als erwartet. An ein paar kleinen Stellen war der Samtflor ausgefallen und der Stoff hatte Abdrücke von den früheren Nähten, die nicht mehr entfernbar waren. Und  für das Futter hatte ich nur eine größere Menge von einem antiken Plumeau in einem Grünton. Das Schlimmste war aber, dass ich nur 1 1/2 Ärmel zuschneiden konnte. Ansonsten blieben mir nur ein paar kleinere Reste.

Aber deshalb gleich aufgeben? NIE!

Ich musste also mal wieder kreativ sein….Zuerst nähte ich die Reststückchen zusammen und bastelte den fehlenden halben Ärmel daraus. Dann überdeckte ich zwei ungünstig gelegene Beschädigungen im Samt mit passender Borte. Und zum Schluss musste ich so tun, als wäre das alles von Anfang an schon so geplant gewesen und ich hätte unbedingt einen Patchwork-Mantel. gewollt….

Natürlich konnte ich einem Mantel wie diesem keinen glänzenden, neuen Verschluss geben….Also nahm ich eine schöne, aber rostige und etwas schäbige antike Gürtelschnalle.  Ich bin mir nicht sicher, ob sie aus dem späten Jugendstil oder dem frühen Art Déco stammt, aber wen schert das schon groß…

Nee, das ist mit Sicherheit nicht der schönste Mantel in der Modegeschichte, aber für einen räudigen alten Vorhang gar nicht schlecht und vor allem sehr individuell!

Also werft Dinge nicht gleich weg, nur weil der Lack ab ist. Repariert sie, gebt ihnen ein neues Leben, macht etwas komplett anderes daraus und seid glücklich damit, egal was andere Leute sagen!

Sind DAS Hutformen? JA!

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Es macht Spaß, viele schöne Hutformen aus Holz zu besitzen….Was aber, wenn ihr die Form, die ihr gerade für ein neues Projekt haben wollt nicht bekommen könnt, weil es entweder kein Modell in der Art auf dem Markt gibt oder ihr einfach nicht genug Geld habt, um es zu kaufen oder für euch anfertigen zu lassen?

Oder ihr habt gerade erst mit dem Hutmachen angefangen und euer Budget ist ziemlich klein?

Dann seid kreativ!

Schaut überall nach: In eurer Küche, den Schränken, auf Flohmärkten, in sozialen Kaufhäusern….Aber wonach sollt ihr suchen? Hutformen dürften wohl eher selten an diesen Orten auftauchen! RICHTIGE Hutformen schon, aber Gegenstände, die die Form von Krempen, Hutköpfen und Fascinators haben, sind leicht zu finden.

Schüsseln und Schalen in jeder Form und Größe, Kerzenhalter, Lampenschirme, Siebe, Deckel, Untersetzer….Was immer euch inspiriert, kann zum Hutmachen verwendet werden.

Was aber, wenn das Ding aus Metall, Glas oder Keramik ist. Es ist vollkommen unmöglich, da die Nadeln zu befestigen.

Ich habe das Problem gelöst, indem ich einfach starkes Panzerband um den Rand des Gegenstands, den ich benutzen möchte klebe. Normalerweise vermeide ich den Gebrauch von Plastik oder Kunstfaser, aber in diesem Fall konnte ich keine bessere Lösung finden. (Und wie ihr auf den Fotos sehen könnt, liegt da auch eine blaue Plastikschüssel….Aber ich konnte der geschwungenen Form einfach nicht widerstehen!)

Das Panzerband klebt auf Vorder-und Rückseite des Randes und ihr könnt jetzt vorsichtig die Nadeln durch den Hutrohling in das Band stecken, wenn ihr ihn aufspannt.

Also lasst eure knappen Budgets nicht zum Hindernis fürs Hutmachen werden. Es gibt immer einen Weg und „verlorene“ Gegenstände wie schäbige alte Schüsseln, Deckel ohne Topf, Schirme von kaputten Lampen und hässliche Kerzenhalter als Hutformen zu benutzen, kann auch ein weiterer sinnvoller Recycling-Weg sein!

Feuer-Schal

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Am Abend auf einem Stuhl am warmen Feuer zu sitzen, während draußen der Schnee fällt, ist nicht nur beruhigend, sondern auch inspirierend.

Ich hatte die Idee, einen Schal in den Farben des Feuers mit einem dynamischen Muster zu häkeln.

Das passende Muster fand ich auf der Webseite von Sarah London, sarahlondon.wordpress.com.

Es nennt sich  „Apache Tears“  (Apachentränen) und ist kostenlos zu bekommen.

Das Muster sieht großartig und ziemlich kompliziert aus, ist aber in Wirklichkeit sehr einfach und auch für blutige Anfänger an der Häkelnadel gut geeignet.

Ein Hut und eine Krone

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Eine Geschichte mit der Lumpenprinzessin

„Schau, was ich gemacht habe!“ rief die Lumpenprinzessin aufgeregt.

Prince Charming fiel vor Schreck beinahe vom Stuhl. „Weib! Was kreischst du hier herum wie ein Sirene? Steht der Feind vor den Toren und will das Schloss stürmen?“

„Nein, natürlich nicht! Wie kommst du darauf? Ich wollte dir nur den neuen Hut zeigen, den ich gerade aus einem alten recycelt habe!“

„Schon wieder ein neuer Hut?“ stöhnte Prince Charming. „Als ich letzte Woche deinen Schrank oben aufgemacht habe, sind mir ungefähr 500 Hüte entgegengefallen!“

„342 mit diesem hier, um präzise zu sein…Sie gehören zu meinem Projekt „Mit 365 Hüten durchs Jahr“. Fehlen also genau 23, die ich noch machen muss. Also….sag schon! Wie gefällt er dir?“

„Ich finde ihn abscheulich!“ antwortete Prince Charming. „Es gibt genau zwei Dinge, die ich absolut nicht ausstehen kann und das sind CLOCHES und SAMT! Und zwar in jeder Form!“

„Aber ich LIEBE Cloches und Samt!“ piepste die Lumpenprinzessin.

„Als ob ich das noch nicht bemerkt hätte!“ fauchte Prince Charming.

„Gibt es überhaupt irgend einen Hut in meinem Schrank, den du magst?“

„…Naja….ein paar von den Wagenradhüten sind nicht komplett daneben. Aber die meisten anderen sind einfach nur lächerlich. Ich wünschte, du würdest statt dessen die Krone aufsetzen, die ich dir zur Hochzeit geschenkt habe!“

„Die Krone drückt. Davon bekomme ich Kopfschmerzen. Außerdem ist sie nicht sonderlich hilfreich wenn es regnet oder die Sonne brennt!“ sagte die Lumpenprinzessin und rückte ihre Cloche gerade, die sich während des Wortgefechtes etwas verschoben hatte.

„Dafür würdest du mehr wie eine Prinzessin aussehen und nicht wie eine….eine….Eigentlich gibt es gar kein Wort dafür! außerdem werden Prinzessinnen weder nass noch von der Sonne verbrannt. Das weiß hier im Märchenland jedes Kind!“

„Und was ist mit Cinderella? Als ich ihr vorgestern begegnete,  war sie nass wie ein Pudel, weil sie ohne Hut und Schirm unterwegs war und von einem Regenschauer überrascht wurde!“

Die Lumpenprinzessin warf ihrem Gemahl einen vernichtenden Blick zu, schwebte in Richtung Garderobe um ihren Mantel zu holen und als beide kurz darauf zu einem Spaziergang aufbrachen, trug sie ihre neue Cloche und einen Samtmantel….

Die heutige Cloche ist tatsächlich recycelt. Als ich vor Jahren mit dem Hutmachen anfing, waren ein paar meiner Erstlinge ehrlich gesagt regelrechte Katastrophen. Dieser war derartig schlimm, dass ich ihn ganz tief in meine „Schandkiste“ gestopft und für Jahre vergessen habe. Aber da das auf Dauer keine Lösung ist, wurde er jetzt wieder hervorgezerrt, komplett auseinandergenommen und neu  aufgebaut.  Innen hat er ein paar kleine Schäden, aber die sieht  man nicht und von außen wirkt er wie neu. Ich habe ihn mit Seidenband, antikem Ripsband und einer echten Art Déco-Gürtelschnalle verziert.

Ökologie beginnt beim „Drunter“

Ökologie sollte bei der Unterwäsche anfangen.

Das klingt jetzt erst mal bescheuert, aber sehen wir uns das Ganze ruhig näher an:

Viele Menschen kaufen Bio-Lebensmittel und auch ab und zu mal ein ökologisch produziertes Kleidungsstück. Wenn es aber um das „Drunter“ geht, dann wird oft immer noch konventionell gekauft.

Das ist aber der falsche Weg.

Die überwältigende Mehrheit dieser „normalen“ Wäsche besteht aus Kunstfaser, die schon bei der Produktion die Umwelt stark belastet, Gewässer und Luft vergiftet, nur extrem schwer recycelbar ist und außerdem Giftstoffe wie Weichmacher an Umwelt und Trägerin abgibt. Von den ausbeuterischen Arbeitsbedingungen bei der Produktion mal ganz abgesehen.

Und was die Baumwollsachen betrifft, kommen die zu beinahe 100 % aus riesigen Plantagen mit entsprechendem Pestizideinsatz, werden in Massenbetrieben unter weiterem Chemieeinsatz gefärbt, verarbeitet und von Arbeiter-/innen für Hungerlöhne in Billiglohnländern zusammengenäht, mit weiteren Chemikalien versehen, um z.B. Ungezieferbefall während des Transports um die halbe Welt zu verhindern. Dabei verursacht der Transport dann noch Emissionen, damit wir hier unsere Körper in flauschig-weiche Billigwäsche hüllen können. So ist es brav!

Aber warum sich darüber Gedanken machen? Die Teile sind doch bequem und sehen so cool und sexy aus und das ist doch nach wie vor alles was zählt oder?

„Na gut“, sagt ihr jetzt. „Dann sind wir eben mal umweltbewusste Mitbürger und suchen die Webseiten der wenigen Öko-Anbieter auf. Mal sehen, was die zu bieten haben.“

Und damit haben wir schon das nächste Problem. Obwohl es in den letzten Jahren schon viel besser geworden ist, gibt es immer noch viel zu wenige Anbieter, die Wäsche ist für Klein- und Normalverdiener erheblich zu teuer und außerdem- sagen wir es doch direkt- oft stinklangweilig, brav und bieder. Und wie ich aus eigener Test-Erfahrung sagen kann, in einigen Fällen auch keineswegs von der Qualität her besser als konventionelle Ware. Denn auch wenn die Fasern aus biologischem Anbau stammen, heißt das noch lange nicht, dass sie auch hochwertig und langlebig verarbeitet werden. Und wenn tatsächlich mal Spitze dran ist, handelt es sich oft ebenfalls um Kunstfaser oder recyceltes Plastik, was auch nicht wirklich ein sinnvoller Weg ist. man sollte ebenfalls nicht vergessen, dass auch für Bio-Baumwoll-Wäsche der Anbau in Monokulturen nötig ist, da sonst die benötigte Masse an Material für die Produktion nicht gewährleistet werden kann.

Also selbst nähen, was wohl den kreativsten und individuellsten Weg darstellt.

Schnittmuster gibt es mittlerweile genug im Web und sogar Firmen, die sich auf solche Kunden spezialisiert haben und alles anbieten, was Frau in dieser Hinsicht begehrt.

Dumm nur, dass ganz viele der dort angebotenen Materialien aus China und anderen Billiglohn-Länder stammen, deutlich nach Chemie riechen, beinahe grundsätzlich aus Kunstfaser bestehen und damit keinen Deut besser sind, als die Fertigware aus dem Kaufhaus oder vom Online-Händler.

„So! Und was sollen wir jetzt machen?“ sagt ihr.

Die perfekte Lösung habe ich auch nicht. Aber eine Alternative, mit der zumindest die Kreativen unter euch einigermaßen leben können:

  • Recycelt! Näht eure Unterwäsche aus gebrauchen T-Shirts, nicht mehr benötigter Kleidung aus Seide, Leinen und Baumwolle, sucht nach unbenutzten Stoffresten und Spitzen in Second-Hand-Läden, Sozialen Kaufhäusern, im Internet und auf Flohmärkten. Oft findet ihr dort noch Stoffe aus den 50er Jahren und früher, die erheblich weniger schadstoffbelastet sind.
  • Lernt, wie man auch aus nicht dehnbaren Stoffen Wäsche näht. Unsere Großmütter kannten gar nichts anderes! Und die Sachen sind überraschend praktisch und bequem, vor allem, wenn man sie etwas modernisiert. Damit erweitert ihr eure Möglichkeiten in Hinsicht auf das Material erheblich.
  • Kauft GOTS-zertifizierten Stoff oder Bio-Stoffe. Hinterfragt, woher die Stoffe, Spitzen und Fasern kommen, wie sie gefärbt wurden und ob sie von kleineren Produzenten stammen, denen Pflanzenvielfalt und Bodengesundheit wichtig sind.
  • Kauft bei den Spezialanbietern im Net nur Unvermeidliches wie Gummibänder und Verschlüsse aus Metall. Vermeidet in dieser Hinsicht Plastik und Kunstfaser!
  • Verwendet besser Baumwollsatin als solchen aus Seide. Er ist langlebiger, leichter zu waschen und es müssen keine Seidenraupen für die Produktion sterben.
  • Denkt auch an Stoffe wie dünnes Leinen. Leinen kostet mehr, ist aber die langlebigste Faser überhaupt und selbst konventionell angebaut weit weniger schadstoffbelastet als vergleichbare Baumwolle.
  • Färbt Stoffe selbst ein. Das ist zwar nicht ideal, aber es ist immer noch besser, kontrollierte und schadstoffarme Farben einzusetzen, als der Industrie zu vertrauen. Noch immer werden viele konventionell gefertigte Stoffe total „überfärbt“, weshalb sie stark ausbluten und die Farben enthalten (besonders bei Stoffen aus Indien) extrem viele Schadstoffe, die teilweise in der EU schon seit Jahrzehnten verboten sind.
  • Seid kreativ, widersetzt euch Normen, folgt eurem eigenen Geschmack! Tut einfach, was ihr könnt, auch wenn es nicht perfekt ist.

Eine ganz gute Adresse für Bio- und GOTS-Stoffe und Spitzen ist www.naturstoffe.de. Schnittmuster bekommt ihr bei „www.sewy.de“

Die auf den Fotos gezeigte Wäsche ist komplett selbst

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genäht aus Baumwollsatin und antiker Spitze ( es funktioniert mit moderner Baumwollspitze genauso!)

Ich bin keine begnadete Näherin, aber ich habe es trotzdem geschafft, etwas halbwegs ökologisch Vertretbares, individuelles und auch einigermaßen Hübsches zu produzieren. Und wenn ich das kann, dann schafft IHR das auch!