Seit Jahrhunderten werden in Europa Hutformen aus den unterschiedlichsten Materialien hergestellt. Meist wurde Holz verwendet, es gab aber auch solche aus Pappmaché, Gips, Draht, gesteiftem Stoff und unterschiedlichen Arten von Masse, manche davon schwer wie Blei.
Ab dem 19. Jahrhundert begann die industrielle Herstellung. Daneben existierten aber immer auch Formen, die von Holzschnitzern und Frauen selbst hergestellt wurden und dementsprechend im Aussehen stark von den genormten Hutformen abweichen.
Industriell hergestellte hatten Aufsatzlöcher, um sie auf einen Ständer zu stellen, ungenormte aber oft nicht. Es war auch durchaus üblich (und ist es bis heute!), zusammengeleimte Holzstücke zu einem Hutblock zu verarbeiten. Dabei wurde zwar meist Hartholz verwendet, in Heimarbeit zusammengebaute oder von Holzschnitzern gemachte Formen konnten aber auch aus ganz unterschiedlichen Hölzern sein.
Große und schwere Hutformen, die einen Ständer zum Kippen gebracht hätten oder offene Krempenformen, bekamen entweder gebogene Unterstützen aus Holz, sozusagen „Beine“oder waren einfach an der Unterseite plan.
Und es wurde auch keineswegs immer genadelt oder mit kleinen Nägeln gearbeitet. Bis ins frühe zwanzigste Jahrhundert hinein fixierte man oft die Hutkrone am Übergang zur Krempe mit kurzen Lederriemen, Gürteln sehr ähnlich oder dicken Schnüren. Und Filz- bzw. Strohrohlinge wurden an der Unterseite großer Hutformen ohne Stützen einfach umgeschlagen. Das Gewicht der Form hielt den Rohling von selbst fest. Und es gab auch schon die ersten „Schnürfurchen“, die heute fast alle modernen Hutformen haben. Kleine, sand- oder reisgefüllte Kissen hielten den Rohling unten, wenn es galt Vertiefungen aufzufüllen.
Alles Techniken, die wir heute auch noch nutzen.
Gut, aber was soll jetzt dieser Vortrag? Macht das einen Sinn?
In gewisser Weise ja, denn jetzt kommt die Geschichte vom „Wut-Hut“:
Vor einigen Jahren fand ich durch Zufall eine antike Hutform aus der Zeit zwischen 1910-1918 mit der damals üblichen übergroßen Hutkrone. Ich träumte davon, fürs Theater oder Rollenspieler Hüte zu machen, es kam aber nie dazu. Also habe ich die Hutform schweren Herzens vor ein paar Wochen zu einem akzeptablen Preis verkauft.
Geschichte erledigt und Friede, Freude, Eierkuchen…..?
Leider nein, denn ein paar Tage später bekam ich eine relativ frostige Mail von der Käuferin, in der sie ihr Geld zurückverlangte, da ich ihr keine echte Hutform, sondern einen nutzlosen „Dekorationsgegenstand“ verkauft hätte.
Ihre Begründung war, dass der Hutblock unten keine Löcher hatte und man ihn demzufolge auch nicht auf einen Ständer zur Bearbeitung stellen könnte. Außerdem sei das Ding aus verschiedenen Stücken Holz zusammengesetzt und diese „Bretter“ auch gar nicht zum Nadeln geeignet.
Stimmt alles, nur war die große und gut drei Kilo schwere Form nie für einen Ständer gedacht und genau so wenig sollte sie je genadelt werden! Und die Art von „Brettern“, aus der sie besteht ist für diese Epoche ebenfalls nicht ungewöhnlich. Und warum um Himmels willen, sollte irgend jemand aus Holz einen schweren Klotz in Form eines Titanic-Era-Hutes basteln, um ihn dann als Deko in seine gute Stube zu stellen? Das macht doch keinen Sinn!
Ich muss gestehen, dass mich so etwas in Rage bringt. Eine gute Modistin sollte genug Wissen haben, um auch mit ungewöhnlichen Formen umgehen zu können und nicht nur mit modernen und bequemen Industrieformen! Es ist durchaus legitim, Formen oder Techniken zu verwerfen, weil sie einem persönlich nicht liegen oder man bessere Wege gefunden hat. Aber es ist trotzdem wichtig, dass man Dinge vorher ausprobiert und Erfahrungen sammelt!
Ich zahlte also das Geld zurück, die Form kam wieder nach Hause und ich denke, ich werde sie jetzt auch behalten!
Allerdings gibt es Dinge, die kann frau einfach nicht auf sich sitzen lassen. Und dazu gehört der Vorwurf, ich hätte ihr statt einer richtigen Form nur nutzlosen Dekomüll angedreht, mit dem man keinen vernünftigen Hut machen kann.
Also setzte ich mich hin und MACHTE mit der Form einen Hut. (Das hätte ich schon vor Jahren tun sollen!)
Hier ist er also, der Hut, der laut dieser Dame gar nicht existieren kann….Nicht schlecht dafür, dass er auf einem „Dekoartikel“ gemacht wurde, oder?