Vor einigen Jahren kaufte ich im Internet ein Konvolut an alter Durchbruchstickerei (vermutlich Hardanger) aus den 40er Jahren. Als ich das Bündel öffnete, um es zu waschen, kam eine Überraschung zum Vorschein: Eine kleine Papierkarte auf der in weiblicher Handschrift stand „In Gefangenschaft aus alten Lumpen gefertigt“.
Ich versuchte herauszufinden, wo es herstammte, kam aber nicht weit. Die Verkäuferin hatte das Bündel von einem verwitweten Freund erhalten, dessen Frau solche Dinge gesammelt hatte. Von wem sie es hatte, konnte nicht mehr nachvollzogen werden. Nur, dass das Bündel einige Jahre im Keller lag.
So werde ich nie erfahren, wer die unbekannte Frau war, die diese schönen Nadelarbeiten geschaffen hat und was uns die Karte über ihr Schicksal wirklich mitteilt. War sie eine Kriegsgefangene? Oder eine Strafgefangene in einem Gefängnis? Wurde sie aus politischen Gründen eingesperrt oder war sie ein Opfer des Naziregimes und in einem KZ inhaftiert?
Es gibt keine Antwort darauf. Aber die Feinheit und Sorgfalt, mit der sie aus den grauen Lumpen noch kleine Kunstwerke geschaffen hat, sprechen dafür, dass sie nicht nur sehr versiert war, sondern auch nie die Hoffnung verloren hat. Eine Reihe von später entstandenen Stücken mit buntem Garn beweist, dass sie den Krieg überstanden und ihre Handarbeiten auch später noch mit Freude weitergeführt hat.
Um diese unbekannte Frau zu ehren und an sie zu erinnern, habe ich so viele der kleinen Lumpenkunstwerke wie machbar in eine Boten-Tasche zusammengefasst, und mit antikem Leinen und ein paar ihrer farbigen Nachkriegswerke ergänzt.
Für das Mittelteil habe ich ihre Handschrift von der Karte so gut wie möglich kopiert und nachgestickt.